Argentinien, Torneo Apertura 2007
Zwar beginnt das neue Torneo erst in zehn Tagen, doch aus zeitlichen Gründen erfolgt schon jetzt meine kleine Einstimmung auf die neue Saison im Land des U-20-Weltmeisters.
Neue Konstanz
Selten herrschte vor einer Saison in Argentinien so wenig Betriebsamkeit auf dem Mercato. Neben der Fokussierung auf die Copa América sowie die U-20 WM stecken dahinter vor allem rationelle Gründe: Geldmangel... Nach den vielen Umwuchtungen in den letzten Jahren fehlen den Vereinen ausreichend Mittel, um Stars zu halten oder gar ins Land zu locken, ebenso wird von kostspieligen Trainerrauswürfen abgesehen. Dies bewahrt Trainer wie Rivers Passarella oder Vélez' La Volpe vorerst vor dem Rauswurf und hielt z.B. Independiente davon ab, statt Troglio einen namhafteren Coach für das lahme Ensemble zu verpflichten.
Alter, neuer Titelkampf?
Aus meiner Sicht deutet vieles darauf hin, dass sich Boca und San Lorenzo erneut um den Titel balgen werden, doch da beide Teams insgesamt an Qualität verloren haben, könnte durchaus auch ein Außenseiter in den Spitzenkampf eingreifen. Boca musste auf sämtlichen Positionen einen enormen Aderlass hinnehmen, wie es ihn in der jüngsten Geschichte der 'xeneizes' selten gab. Mit Rodríguez, Orteman, Cata Díaz und Calvo verlor Coach Russo fast die gesamte Abwehr, ohne davor bisher adäquaten Ersatz gefunden zu haben. Der Aderlass könnte sich sogar noch fortsetzen, falls die umworbenen Palacios und Riquelme ebenfalls neue Arbeitgeber präsentieren können. Richten muss es künftig also die zweite Reihe, die aber gewiss Zeit brauchen wird, sich in der neuen tragenden Rolle zurechtzufinden. Etwas besser sieht es bei San Lorenzo aus, das bisher nur den quirligen Lavezzi und Arbeitsbiene Ledesma verlor, dafür aber ein halbes Dutzend gestandener Spieler (u.a. Torres von Racing) verpflichten konnte. Starcoach Ramón Díaz wird seinem Team auch in der neuen Saison keine offensiven Fußfesseln anlegen, wodurch spielerisch wiederum einiges geboten werden sollte.
Clásicos mit geringen Erwartungen
In einem erschütternden Zustand präsentiert sich das ruhmreiche River, einstmals Stolz des argentinischen Fußballs. Passarella und Präsident Jose Maria Aguilar kommunizieren bevorzugt über die Medien miteinander und gelten so spinnefeind wie Dagobert Duck und die Panzerknacker. Kein Wunder, dass sich der Präsident dem Griff in den Geldpanzer verweigerte, schließlich hätte Passarella damit ja 'Erfolg verpflichten' können... Jeder Spieler, der sich dem Kleinkrieg in irgendeiner Weise entziehen kann, wendet den Millionarios den Rücken zu, so dass eine Rumpfelf zurückbleibt, für die selbst die neuerliche Libertadores-Quali kein Selbstgänger werden dürfte. Bei Nachbar Independiente freut man sich weniger auf die neue Saison als vielmehr auf das Stadion, das im kommenden Jahr eingeweiht werden soll. Der als mediokre geltende Coach Troglio verlor mit Ustari den Starkeeper und darf sich auch nicht länger am kampfstarken Eluchans erfreuen, der von River-Rumpelkicker Mareque ersetzt werden soll. Für welchen Fußball die Rojos in der neuen Saison stehen, ist noch völlig unklar - viel zu erwarten wäre freilich töricht. Ein noch geringerer Genuss dürfte sich beim Studium der Racing-Spiele einstellen, für das ich die Bereitstellung von harten Alkoholika empfehle. Dass Gustavo Costas mit seiner Elf einen versöhnlichen Saisonausklang erquälte, sollte niemand als Indiz für neue Sternschnuppen werten, da die damaligen Gegner schlichtweg komplett unmotiviert waren. Wie immer wurde das halbe Team umgekrempelt, und dass mit Torres, Peralta und Vitali auch drei 'bessere' Kräfte das Gelände verließen, sollte niemanden hoffnungsfroh stimmen.
Der Trainer ist der Star
Dieser Ausspruch trifft in besonderem Maße auf Rückkehrer Huracán zu, der nach fünf qualvollen Jahren im Nacional 'B und ebenso vielen vergurkten Relagationsspielen endlich wieder erstklassig ist. Zu verdanken ist dies vorrangig dem ich-war-bei-Huracán-schon-alles Präsidenten Babington und Coach Antonio Mohamed, der den Club so sehr liebt wie sonst niemand. Als er letzte Saison mitansehen musste, wie der hirnkranke Osvaldo Sosa im Begriff war, den Verein zu ruinieren, kehrte er - der zuvor seinen Sohn verloren hatte - prompt auf die Bank zurück und marschierte mit 'el globo' durch. Ein sichereres Engagement bei Olympia ließ er sausen, nachdem die Fans flehentlich versucht hatten, das Idol zum Bleiben zu überreden. Trotz der Abgänge von Coyette und Larrivey sollte man in der ersten Liga mithalten können, im Jahr vor dem 100. Geburtstag mehr als den Klassenerhalt anzustreben, wäre jedoch vermessen. Aufs Kolumbiens Trainerurgestein Maturana setzt Gimnasia LP, das sich dadurch zumindest etwas medialer Aufmerksamkeit erhofft. Zuletzt geriet der Verein durch seinen rabiaten Präsidenten sowie seine anhaltenden Mißerfolge stark in Verruf, so dass eine veritable Wiedergutmachung angesagt ist.
Wir sagen es nicht, aber wir wollen nach oben
Sehr zurückhaltend gibt man sich bei Estudiantes, das sich insgeheim aber gewiss - und zurecht - Chancen ausrechnet, einen der begehrteren Tabellenplätze zu ergattern. Die kampfstarke Elf wurde von Simeone mit Desábato, Moreno y Fabianesi und Galván sinnvoll verstärkt, obgleich auf der Abgangsseite die Namen Sosa, Pavone und Calderón stehen - ein Top-Vorbereiter und zwei veritable Torjäger, ohne die Estudiantes' Durchlagskraft gewiss geringer ausfallen wird. Jedoch wird die robuste Abwehr diesen Verlust gewiss abzufedern wissen, so dass die 'pinchas' durchaus auf der Rechnung genannt werden müssen. Gleiches trifft auch auf unsere Freunde von Arsenal zu, die sich mittlerweile fest in der Liga etabliert haben. Der Kader gibt einiges an Qualität her, allerdings wurde die Mannschaft ziemlich umgekrempelt, so dass die Automatismen nicht sofort sitzen dürften.
Nicht zu gut, nicht zu schlecht, teilweise falsch, teilweise unecht
Eine ganz schwere Saison steht Vélez ins Haus, das seine halbe Stammelf verlor und mit La Volpe zudem den schlechtesten Trainer an der Seitenlinie herumhumpeln hat. Wie ohne Castromán, Zárate, Sessa, PappaMoreno y Fabianesi und Broggi die Libertadores erreicht werden soll, gehört zu den größten Fragen der Saison. Newell's trennten sich von viel Ballast in ihrem aufgeblähten Kader, stellen aber eine Wundertüte dar, mit deren Einschätzung ich mich sehr schwer tue. Lokalrivale Rosario Central sollte sich unter Ischia wieder stabilisieren können, prioritär ist aber, dass die Talente einen Schritt nach vorne machen. Eine eher langweilige Saison deutet sich ebenso bei Lanús an, auf dem aufsteigenden Ast befindet sich Colón, vorausgesetzt im Elefantenfriedhof sorgt ein möglicher Fehlstart nicht wieder für Unruhe.
Angst vor dem Nacional 'B
Ein immer heißerer Kandidat auf den Klassensturz ist Banfield, das sich in der Liga schon längst etabliert schien, den Abgang vieler Talente aber nicht aufzufangen wusste. Coach Llop gilt als Wackelkandidat, dem es gelingen muss, um die Neuzugänge Ariel Broggi und Luis Figueroa eine schlagkräftige Equipe zu formen, die endlich wieder das Kämpfen lernt. Die Argentinos Jrs. gehören traditionell eher zu den spielstarken Teams, vermochten es allerdings seit ihrem Aufstieg nicht, ihr Personal langfristig an den Club zu binden. Gute Karten auf den Ligaverbleib rechne ich Gimnasia Jujuy zu, dem intelligenten Coach Mario Gómez sei Dank. Zusammen mit der sportlichen Führung wird sehr umsichtig gewirtschaftet und die Mannschaft verstärkt, diesmal u.a. mit dem erfahrenen Gabriel Loeschbor. Bleiben noch die drei anderen Aufsteiger Olimpo, Tigre und San Martin (SJ). Letztere gelten als krasser Außenseiter, weil es ihnen nicht möglich war, den Kader adäquat zu verstärken und fast allen Kickern die Erstligaerfahrung fehlt. Tigre hat Motivator Diego Cagna als Faustpfand und zudem eine gesteigerte Euphorie im Rücken - bei einem guten Start in die Saison sollte der Klassenerhalt keine Utopie sein. In Bahia Blanca richten sich die Blicke auf den 41-jährigen Keeper Navarro Montoya, den man als große Attraktion in der Ferienmetrople präsentierte. Mit Lujambio und Javier Páez konnten weitere erfahrene Kräfte aus früheren Erstligatagen zurückgeholt werden, so dass es den Aurinegros an Routine gewiss nicht fehlt. Nicht ins Bild passt da Coach Rivarola, ein Schöngeist, der einen Club trainiert, der sich stets über harte Arbeit definierte.
Neues aus dem Nacional 'B
Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet nach dem Aufstieg von Huracán das Aufstiegsreglement geändert wurde... Künftig ist die Unterteilung in Apertura und Clausura nur noch technischer Natur, da die beiden erstplatzierten Teams der Gesamttabelle direkt aufsteigen und nur noch der 3. und 4. in die Relegation müssen. Nueva Chicago startet übrigens aufgrund der Ausschreitungen beim letzten Relegationsspiel gegen Tigre mit -21 (!) Punkten in die Saison - der Wiederaufstieg ist damit unmöglich.
Und diese Partien gibt es am ersten Spieltag:
Argentinos Jrs. - San Martin (SJ)
Banfield - Estudiantes
Boca - Rosario Central
Colón - Vélez
Gimnasia Jujuy - River
Gimnasia LP - Tigre
Huracán - Arsenal
Independiente - Lanús
Newell's - San Lorenzo
Olimpo - Racing
Hoffen wir auf eine spannende Saison in der vermutlich besten Liga der Welt...
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